Grünau – vom Ausflugsziel zum Berliner Bezirk

Köpenick war lange vor der Vereinnahmung durch die Groß-Berliner Gesetze ein beliebtes Ausflugsziel vieler Berliner. International bekannt wurde Köpenick vor allem durch den Schuster Wilhelm Voigt, der als Hauptmann verkleidet dass damals gerade erst ein Jahr alte Rathaus besetzte, die Stadtkasse plünderte und den Bürgermeister festnahm. Durch die neuen Industriezweige gab es eine Expansion der Lebensräume. Aber Arbeit ist nicht alles was die Cöpenicker ausmachte. Der Ort bietet eine Vielzahl an Gewässern und Waldgebieten. Es ist somit (nicht nur) für die Cöpenicker möglich sich zurück zu ziehen. Und das ist ein Luxus, den Berliner nicht haben, weshalb sich viele von ihnen regelmäßig in die Außenbezirke begeben.

Die Cöpenicker haben das früh erkannt. Es entstand eine Reihe von Vergnügungslokalen, Biergärten, Strandbädern und Theatern. Cöpenick wurde ein beliebtes Ausflugsziel. Anfangs waren es gar nicht einmal die heute bekannten Wahrzeichen, wie z.B. der Müggelturm. Beliebt waren stattdessen das Vogelschießen hinter dem Schützenhaus, die Regatta in Grünau und das Wandern in den Müggelbergen. Durch die steigende Nachfrage entstanden neue Boots und Gasthäuser. Am 27. Juni 1880 fand die erste Ruderregatta auf dem Langen See in Grünau statt, die anschließend jährlich abgehalten wurde. 1908 entstand das Freibad in Grünau. Die Städter, denen sprichwörtlich die Berliner Luft zu dick wurde, fanden hier zurück zur Natur. Schon 1866 wurde vom „Berliner Schifffahrtsverein“ die Route um den Müggelsee erweitert.

Durch die Expansion des Ortes und den regelmäßigen Austausch der Berliner mit dem Vorort kam es, dass sich „das Band zwischen Cöpenick und Berlin in den Jahren von 1870 bis 1900 immer fester und fester knüpfte“. Eigentlich begann bereits „damals der ‚Weg nach Berlin”, bewusst wurde er von 1918 bis 1920 fortgesetzt und beendet“. Die städtische Siedlungspolitik wird deutlich durch den Zuwachs städtischer Laubenkolonisten in Cöpenick, die schließlich parzelliert wurden und dem Straßen- und Häuserbau wichenMit den neuen Verkehrswegen und –mitteln stieg auch die Zuwanderung sehr schnell. Die Impulse Cöpenick in Berlin einzugemeinden gingen aber keineswegs nur von Cöpenick aus. Durch den Bedarf an neuem Wohnraum, für das bis an die Grenzen besiedelte Berlin, sollten die Freiflächen, die zwischen der Hauptstadt und den Nachbargemeinden lagen, für Industrie und Besiedlung erschlossen werden. Schöneweide ist beispielsweise eine solche Fläche, die größtenteils industriell genutzt wurde und somit eine Brücke zwischen Berlin und der Stadt Cöpenick bildete. Es lag also nahe, Berlins Bedarf nach Wohnraum auch nach Südosten auszuweiten.

Eine Erweiterung Berlins war bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Gespräch, scheiterte aber an den kommunalpolitischen Interessen der Gemeinden. Bereits 1910 gab es detaillierte Pläne auf Grundlage eines Ideenwettbewerbes. Tatsächlich dauerte es dann noch weitere 10 Jahre bis zur Umsetzung. Am 1.10.1920 wurde Köpenick mit den Gemeinden Friedrichshagen, Rahnsdorf mit Wilhelmshagen und Hessenwinkel, Müggelheim, Bohnsdorf, Grünau, Schmöckwitz mit Rauchfangswerder und Karolinenhof als 16. Verwaltungsbezirk nach Groß-Berlin eingemeindet und sollte ursprünglich “Müggelstadt” heißen. Trotz der relativ zum Rest von Berlin dünn besiedelten Cöpenicker Region, verdoppelte sich die Einwohnerzahl in der Hauptstadt nach den Groß-Berliner Gesetzen durch die anderen hinzugekommenen Verwaltungsbezirke auf 3,8 Millionen Menschen.

Die alte Stadt musste sich in einer Art verwandeln, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, Bezirk von Berlin zu werden. Neben den infrastrukturellen Maßnahmen unter Leitung von Bürgermeister Gustav Borgmann und Stadtrat Hugo Schüßler trugen auch die Bestrebungen Berlins zur Ortserweiterung ihren Teil bei. Gerade durch die ansteigende Bevölkerung in der Millionenmetropole war neuer Raum erforderlich und das beliebte Ausflugsziel einzugemeinden war ein Plan, der schon lange vor den Groß-Berliner Gesetzen gereift war.  Dabei geschah alles sehr strukturiert. Industriezweige brauchten Transportwege. Neue Wege beschleunigten Verkehr. In gleichem Maße nämlich wie sich der Verkehr ausbreitete, nahm auch das Wachstum der Stadt zu. Berlin ist seinerseits gewachsen. Der Fortschritt hat beide Städte eingeholt und so kam es schließlich zur Symbiose.

Sicherlich hätte Cöpenick nicht ins Berliner Stadtbild gepasst, wenn hier weiterhin Feldwege und Lehmhäuser gestanden hätten und es ein 4000-Seelen Nest geblieben wäre. Vor allem die Dammvorstadt zeigte ein sehr modernes Bild. Insofern ist also die Fragestellung, ob Cöpenick an Berlin hätte angegliedert werden können, wenn es sich nicht verändert hätte, berechtigt und muss mit einem Nein beantwortet werden. Es waren der Ausbau der Kanalisation und der Verkehrswege, der Straßenbahn, des Gaswerkes, der Sparkasse und des Elektrizitätswerkes notwendig. Dadurch, dass Cöpenick sich so stark veränderte, wurde es nicht nur von Berlin geschluckt, sondern hat sich darin etabliert und ist heute Berlins größter und grünster Stadtbezirk und immer noch beliebtes Ausflugsziel.

Interessanterweise dichtete ein Bänkelsänger namens Christoph Wild schon 1876, also fast 50 Jahre vor „Groß-Berlin“ darüber:

„Berlin mein Kind jetzt wird’s Provinz.

Eine Menge Orte sind´s; […]

Zwiebusch, Wuhl- und Jungfernheide,

Dahlem, Ober- und Nieder-Schöneweide,

Tegel, Schönholz, Kietz und Britz,

Steglitz, Lank- und Schmöckewitz. […]

Auch gedenke Köpenicks;

Von den Dörfern merke Rix-, […]“.

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